Wir lassen uns nicht trennen
– ein offener Brief

Wir als jüdische, muslimische, jüdisch-muslimische Organisationen, Initiativen und Bündnisse, sowie Einrichtungen, die Räume für jüdisch-muslimische Begegnung geschaffen haben, schreiben diesen Offenen Brief, weil wir nicht hinnehmen, dass der Konflikt im Nahen Osten unser Zusammenleben und unsere politische und kulturelle Arbeit in Deutschland zerstört. 

Wir haben in den letzten Jahren, unter schwierigen Bedingungen und in komplexen Prozessen, vielfältige Allianzen, Bündnisse und Netzwerke zwischen jüdischen und muslimischen Organisationen, Communities und Individuen aufgebaut, die wir gegen eine neue Welle des Hasses und der Propaganda verteidigen wollen. Denn, wann immer der Nahost-Konflikt hier ausgetragen wird, leiden auch wir darunter! 

Deswegen wollen wir zwei Dinge festhalten

1. Wir verurteilen Antisemitismus und anti-muslimischen Rassismus

Wir verurteilen jede Art von Antisemitismus und anti-muslimischen Rassismus, sowie jede Form von Gewalt und Hass, wie etwa die jüngsten Angriffe auf Synagogen in Bonn oder in Gelsenkirchen. Wir verwahren uns dagegen, dass Jüd:innen und Muslim:innen hierzulande für die Geschehnisse im Nahen Osten verantwortlich gemacht  werden, sei es durch physische Gewalt oder durch entsprechende Darstellungen in den sozialen Medien. Diese Zuschreibung ist Ausdruck von Antisemitismus und anti-muslimischem Rassismus, die Gegenwart und Zukunft unseres Miteinanders hierzulande gefährden. Genau dagegen richtet sich unsere vielfältige Arbeit seit vielen Jahren. 

Jüdisch-muslimische Beziehungen sind alles andere als selbstverständlich. Wir haben viel investiert um gegenseitiges Vertrauen aufzubauen, um dadurch auch vor Fragen nicht zurückzuschrecken, die uns gegenseitig irritieren und befremden. Diese Fragen sind mit komplexen historischen Dynamiken verwoben, die Leid und Traumata beinhalten. Wir haben gelernt, Differenzen auszuhalten, auch wenn dies nicht immer leichtfällt. Wir haben auch viele Gemeinsamkeiten entdeckt und Ziele formuliert, wie wir als Jüd:innen und Muslim:innen in Deutschland miteinander leben wollen und können, und was wir im Zusammenleben auch von der Mehrheitsgesellschaft erwarten. Deshalb lassen wir unsere jüdisch-muslimischen Freundschaften, Bündnisse und Allianzen weder für politische Zwecke instrumentalisieren noch auf den Nahost-Konflikt reduzieren.

2. Es muss Raum für unterschiedliche Haltungen zum Nahost-Konflikt geben.

Der Nahost-Konflikt ist ein “Hot Button Issue” jüdisch-muslimischer Beziehungen – dessen sind wir uns bewusst. Dass unterschiedliche Haltungen zum Nahost-Konflikt bestehen, ist nachvollziehbar. Unsere jeweiligen Perspektiven sind von unterschiedlichen Sozialisationen, Erfahrungen, Wissensbeständen, und Emotionen bestimmt. Dafür muss es in einer offenen, pluralistischen und demokratischen Gesellschaft Raum geben. Mit diesen Differenzen müssen und können wir leben, denn sie bestehen nicht nur zwischen Jüd:innen und Muslim:innen, sondern auch innerhalb verschiedener Gruppen. Wir stellen aber auch fest, dass der Nahost-Konflikt nicht der Regelfall jüdisch-muslimischer Beziehungen ist; er ist keine Notwendigkeit des Muslimisch- oder Jüdischseins, sondern eine spezifische Situation, zu der jede und jeder sich verantwortungsvoll verhalten kann. Wir gehen zudem davon aus, dass der Nahost-Konflikt kein zwingendes Thema jüdisch-muslimischer Beziehungen und Gespräche sein muss. Unsere Arbeit ist von einer Fülle an unterschiedlichsten Themen geprägt, das soll auch so bleiben. Wir lassen unsere Arbeit nicht auf die Nahost-Thematik reduzieren.

www.wirlassenunsnichttrennen.de

#wirlassenunsnichttrennen #wirstehenfüreinanderein #wirbleibenimgespräch

Unterzeichnende Organisationen:

Jüdisch-muslimischer Stammtisch München, Prof. Dr. Bekim Agai – Direktor der AIWG, Heidelberger Bündnis für jüdisch-muslimische Beziehungen, Jüdisch-Muslimischer Gesprächskreis der W. Michael Blumenthal-Akademie des Jüdischen Museums Berlin Institut für Deintegration


JMKT präsentiert: Masha Qrella „Woanders“

Live am 17. Juni auf der Sommerbühne des Karlstorbahnhofs

Foto (c) CRorarius

Donnerstag, 17. Juni 2021 um 19:30 Uhr / Tickets hier

Als Masha Qrella 1975 als Mariana Kurella in Ost-Berlin geboren wird, ist der aus einer jüdischen Familie stammende Schriftsteller, Dramatiker und Regisseur Thomas Brasch bereits 30 Jahre alt und steht kurz davor, per Ausreiseantrag die DDR zu verlassen. In der alten BRD wird er mit Preisen für seine Film- und Theaterarbeiten ausgezeichnet und gefeiert. In der wiedervereinigten Bundesrepublik stirbt Thomas Brasch nach turbulenten Jahren schließlich 2001 an Herzversagen. 

Masha Qrella gilt zu diesem Zeitpunkt bereits als Hoffnung der neuen Berliner Musikszene zwischen den Clubs Galerie Berlin-Tokyo und Maria am Ostbahnhof. Sie spielt in Bands, die Mina oder Contriva heißen, und bietet mit ihrer Musik das Berliner Postrock-Pendant zu dem, was zeitgleich in London oder Chicago von Bands wie Stereolab oder Tortoise gespielt wird. 

„Woanders“ heißt nun das erste deutschsprachige Album von Masha Qrella, das am 19.02.2021 erschien – der Tag wäre der 76. Geburtstag von Thomas Brasch gewesen, von dem alle Texte auf diesem Album stammen. Thomas Brasch hatte sich Zeit seines Lebens immer gewünscht, dass seine Lyrik vertont wird. Und es ist wirklich erstaunlich, wie gut sich seine Texte als Pop-Lyrics eignen. Das ist vor allem auch das Verdienst von Masha Qrella. „Woanders“ ruft in Erinnerung, was für ein großer Lyriker Thomas Brasch war, und es zeigt zugleich, was für eine tolle Musikerin Masha Qrella ist. Ganz zu Recht wird Masha seit Februar in allen Feuilletons dafür gefeiert! 


Heidelberger Bündnis für Jüdisch-Muslimische Beziehungen ausgerufen

Mit dem „Heidelberger Bündnis für Jüdisch-Muslimische Beziehungen“ wird eine bundesweit einzigartige Plattform ins Leben gerufen: aufbauend auf einer starken Kooperationsstruktur wirkt das Bündnis in den Kulturbereich, in die Wissenschaftskommunikation sowie in die Bildungsarbeit und setzt sich aus drei unterschiedlichen Formaten jüdisch-muslimischer Allianzen zusammen: den „Jüdisch-Muslimischen Kulturtagen Heidelberg“, dem Podcast „Mekka und Jerusalem“ sowie den „Bildungsbausteinen Jüdisch-Muslimischer Beziehungen“.

Gefördert von der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ (EVZ) wird das Bündnis von Teilseiend e.V. – Muslimische Akademie Heidelberg i. G., der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg, der Pädagogischen Hochschule Heidelberg, dem Karlstorbahnhof und der Stadt Heidelberg getragen.

Der Oberbürgermeister der Stadt Heidelberg, Prof. Dr. Eckart Würzner, betont: „Das Bündnis ist mehr als ein Zeichen für die Vielfalt und Lebendigkeit jüdischen und muslimischen Lebens in Heidelberg. Deutschlandweit modellhaft geht es im Kultur- und Bildungsbereich neue Wege, um Antisemitismus und anti-muslimischem Rassismus zu begegnen. Es lädt uns alle dazu ein, die eigene Komfortzone zu verlassen, uns für andere gesellschaftliche Perspektiven zu öffnen und gemeinsam Verantwortung für unsere Demokratie zu übernehmen.“

„Die enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg, der Muslimischen Akademie Heidelberg i. G. und den weiteren Akteuren ist bundesweit einzigartig. Wir sehen darin eine Vorbildfunktion für eine offene, plurale und solidarische Gesellschaft, in der jeder dazu angeregt wird, neue Allianzen einzugehen und zukunftsorientierte Konzepte eines demokratischen Zusammenlebens mitzugestalten“, ergänzt Prof. Dr. Werner Arnold, Rektor der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg.

Ausgehend von der Frage, wie wir Gesellschaft gestalten können und welche Möglichkeiten diese hat, mit Pluralität umzugehen, hat sich das Bündnis entscheidende Ziele gesetzt: „Wir möchten einen Beitrag zu mehr Sichtbarkeit von JüdinnenJuden und Musliminnen in der öffentlichen Debatte leisten – nicht in Form eines interreligiösen Dialogs, sondern als zeitgenössische Intervention in Fragen von Kultur, Gesellschaft und gleichberechtigter Teilhabe“, erklärt Yasemin Soylu von der Muslimischen Akademie Heidelberg i. G. „Darüber hinaus möchten die Bündnispartner*innen den Kampf gegen Antisemitismus und Islamophobie mit anderen Formen von gruppenbezogenen Ressentiments verknüpfen und die Öffentlichkeit – jenseits des Streits um Israel/Palästina – für die Geschichte und Gegenwart jüdisch-muslimischer Beziehungen sensibilisieren“, so Soylu weiter.

Um diese Ziele zu erreichen, setzt das Bündnis auf innovative Konzepte, die jüdische und muslimische Positionen in all ihren Facetten sichtbar und für die Gesamtgesellschaft erfahrbar und diskutierbar machen: Der Podcast „Mekka und Jerusalem“ (gefördert von der Volkswagen Stiftung) vermittelt wissenschaftliche Einblicke in die jüdisch-muslimischen Beziehungen aus der Perspektive der Jüdischen Studien, der Israel-Studien und der Islamwissenschaft. Das vielfältige Veranstaltungsprogramm der Jüdisch-Muslimischen Kulturtage in den Sommermonaten bietet Menschen aller Altersgruppen und Hintergründe Gelegenheit, unterschiedliche Standpunkte zu entdecken und miteinander in Austausch zu gehen. In Zusammenarbeit mit der PH Heidelberg werden außerdem Bildungsbausteine für die Lehrkräfte-Ausbildung entwickelt, um jüdisch-muslimische Beziehungen in Wissenschaft und Schulsystem besser vermitteln zu können.

Dr. Petra Follmar-Otto, Vorständin der Stiftung EVZ unterstreicht die Besonderheit dieser Allianz: „Das von uns geförderte Bündnis stärkt den Zusammenschluss zwischen Organisationen vor Ort, die nicht darüber hinweggehen, sondern sich gemeinsam klar positionieren, wenn Jüdinnen und Juden oder Musliminnen und Muslime diskriminiert, angefeindet oder angegriffen werden. Diese Allianz hat Modellcharakter auf vielen Ebenen – für ein plurales, soziales und offenes Heidelberg, für lokale Allianzen gegen Antisemitismus und antimuslimischen Rassismus, für die integrative Kraft von Kultur, Bildung und Wissenschaft und dafür, jüdische und muslimische Positionen in unserer Gesellschaft sichtbarer und wirksamer zu machen.“